Zum Hauptinhalt springen

Aktuell

Alle Meldungen aus dem Fachbereich Instrumental- und Gesangspädagogik

Musikpädagogik neu gedacht

Professorin Dr. Katharina Bradler ist neue Leiterin des Instituts für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Dresden. Über ihre Ideen für das Institut, ihr Verständnis von Musikpädagogik und über ihr aktuelles Projekt im Bereich Online-Lehre in der Musik spricht sie im Interview.

 

Wo setzt ihre musikpädagogische Arbeit an der Hochschule an?

Bei dem Versuch vermeintlich getrennte Bereiche wie künstlerisch und pädagogisch oder theoretisch und praktisch nicht gegensätzlich zu denken. Ich möchte daran arbeiten, dass diese Grenzen aufweichen und Übergange geschaffen werden. Wir als Musiker/innen sind immer vermittelnd tätig. Und Reflexion und theoretische Auseinandersetzungen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die musikalische und Unterrichts-Praxis. Es gibt noch viel zu fragen und auszuprobieren, deshalb möchte ich die musik- bzw. musizierpädagogische Forschung stärken.

Was sind die Ziele im Bereich der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung?

Um die musikpädagogische Forschung, Lehre sowie Weiterbildung zu fördern, halte ich die Vernetzung mit Kolleg/innen für elementar. Wir wollen Symposien veranstalten und damit die neusten Erkenntnisse aus musik- bzw. musizierpädagogischen Forschungsprojekten für Lehrende zugänglich machen. Wir werden mit verschiedenen Weiterbildungsformaten experimentieren. Vielleicht gibt es Möglichkeiten Supervisionszirkel in der künstlerischen Lehre zu etablieren? Weiterhin ist mir die Nachwuchsförderung ein echtes Anliegen – nicht nur im künstlerischen, sondern auch im künstlerisch-pädagogischen Bereich. Individuelle Schwerpunktsetzungen der Studierenden sollen möglich werden und wir wollen den Bereich der Digitalisierung stärken und ausbauen.

 

Wie sichern Sie den praktischen Teil der Lehre?

Die Hochschule in Dresden hat bereits sehr früh begonnen eine Nachwuchsförderklasse aufzubauen, die bereits Kinder ab dem Kindergartenalter umfassend musikalisch bildet. Hier erhalten Studierende vielfältige Möglichkeiten, praxisnahe Erfahrungen zu sammeln beim Durchführen pädagogischer Projekte und Hospitationen. Außerdem möchte ich die Zusammenarbeit mit Musikschulen der Region ausweiten. Eine Professur für Rhythmik und Elementare Musikpädagogik befindet sich in der Ausschreibung und ein Bachelorstudiengang in diesem Bereich ist angedacht. Damit wollen wir zukünftig dem Bedarf von Musikschulen gerecht werden.

 

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Gemeinsam mit meinen Lehramtskolleg/innen Prof. Christin Werner und Dr. Daniel Prantl habe ich das Projekt „Online_Musizieren_Unterrichten_im_digitalen_Hochschulraum“ (OnMUdiH) initiiert. Es gehört zum Verbundvorhaben „Selbstgesteuertes Lernen und Üben innovativ und (medien)didaktisch sinnvoll gestalten“ des Arbeitskreises E-Learning der Landesrektorenkonferenz Sachsen. In dem Projekt fragen wir nach den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen, die digitales Musizieren hinsichtlich technischer Möglichkeiten, aber auch hinsichtlich kommunikativer Aspekte bereit halten. Am Ende sollen didaktische Handreichungen zum Online-Musizieren entstehen.

 

Wie haben Sie während der Pandemie unterrichtet?

Die theoretisch verorteten Veranstaltungen zu musikpädagogischen Grundfragen ließen sich vergleichsweise leicht mittels Videokonferenz-Software online durchführen. Für die musizierpraktischen Unterrichte war das schon schwieriger. Als wieder Präsenzunterricht in kleiner Runde möglich war, haben wir u.a. Gruppen geteilt. So konnte sich über eine Hybrid-Lösung die Hälfte der Klasse von zu Hause am Klang der anderen Hälfte in Präsenz orientieren. Dadurch wurde die Situation eines Gruppenklangs zumindest teilweise simuliert.

Was ist Ihr Fazit zum Online-Musizierunterricht?

Sowohl nach meiner Erfahrung als auch der von Kolleg/innen überwiegen die negativen Aspekte im Vergleich zum Präsenzunterricht. Obwohl die technischen Herausforderungen bzgl. des Tons, der Kameraposition und ansatzweise auch der Latenz zumindest teilweise überbrückt werden konnten, kann die räumlichen Atmosphäre vor allem beim instrumentalen Einzelunterricht nicht ersetzt werden. Und doch gab es auch Überraschungen: Kolleg/innen berichteten von Studierenden, die beim Singen „zu Hause“ mehr aus sich herauskamen und sich im digitalen Seminarplenum deutlich mehr einbrachten als üblicherweise in Präsenz. Hier sehen wir Ansatzpunkte für weitere Forschungen.

Worin sehen Sie die Chancen der digitalen Unterrichtsformate im Musikunterricht?

Für theoretische Veranstaltungen sowie Vor- und Nachbesprechungen im Rahmen von pädagogischen Projekten oder auch von Musizieraktionen wie Ensembleproben liegen die Vorteile auf der Hand. Studierende können ortsunabhängig, mit großer Zeitersparnis und ressourcenschonend an den Veranstaltungen teilnehmen. Auch vorbereitende Proben bzw. den Präsenzunterricht ergänzende (Musizier-)Konsultationen sind mit entsprechender technischer Vorbereitung sehr gut denkbar. Durch den geschickten Einsatz von mehreren Kameras könnten die Studierenden z.B. bestimmte haltungstechnische Aspekte sehr viel besser erkennen und auch das gemeinsame Arbeiten an einem Dokument kann sich als zielführender als in Präsenz erweisen. Für einige Studierende ist es auch leichter, sich schriftlich (z.B. durch Chat) einzubringen. Letztendlich liegt ein wesentlicher Mehrwert am Online-Unterricht darin, dass dadurch die wertvolle Präsenzzeit beim gemeinsamen Musizieren effektiver für die künstlerische Arbeit genutzt werden kann.

 

Zur Person
Prof. Dr. Katharina Bradler studierte Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Musikpädagogik und Philosophie in München und Dijon sowie Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Violine in Osnabrück. 2014 wurde sie in Musikpädagogik an der Universität der Künste Berlin promoviert. 2016 folgte Katharina Bradler einem Ruf an die Brandenburgisch-Technische Universität Cottbus-Senftenberg. 2020 wechselte sie an die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, wo sie als Professorin für Musikpädagogik lehrt und forscht.


Zurück zur Übersicht
Prof. Katharina Bradler, Foto: Sascha Gramann