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Verabschiedung von Prof. Dr. Matthias Herrmann

Im Herbst verabschiedet die Musikhochschule Prof. Dr. phil. habil. Matthias Herrmann offiziell in den Ruhestand. Der Musikwissenschaftler wird emeritiert, bleibt aber weiterhin Hochschulmitglied. 1955 im Erzgebirge geboren, war er Mitglied im Dresdner Kreuzchor und studierte später Musikwissenschaft an der Universität Leipzig. Nach Tätigkeiten an der Sächsischen Landesbibliothek Dresden und am Sächsischen Tageblatt kam er 1986 an unsere Hochschule: zunächst ans Heinrich-Schütz-Archiv und 1993 als Professor für Musikgeschichte ans Institut für Musikwissenschaft. Zahlreiche Vorträge führten ihn quer durch Deutschland und ins Ausland, zuletzt nach Bulgarien, Japan, Österreich und Tschechien.

Im Interview erzählt er, was er der Musikhochschule Dresden für die Zukunft wünscht, welche Begegnungen ihm aus seinen Dienstjahren in Erinnerung bleiben werden und welche Projekte er weiterhin verfolgen wird.

Die öffentliche Verabschiedung wird am 13. Oktober 2021, 18:00 Uhr, im Kleinen Saal stattfinden.

 

Was planen Sie für Ihren Ruhestand?

Jeder – so auch ich – hat beim Eintritt in den Ruhestand die Illusion, mehr Ruhe und weniger Verpflichtungen zu haben. Ich bin gespannt, wie das in der Realität aussehen wird.

Sie bleiben der HfM noch als Professor erhalten. An welchen Projekten arbeiten Sie weiter?

Ich behalte die Herausgeberschaft der „Dresdner Schriften zur Musik“. Weitere von mir betreute Bände befassen sich mit Musikern jüdischer Herkunft: Paul Aron emigrierte 1933 aus Dresden und starb 1955 in New York; Erwin Schulhoff dagegen misslang die Auswanderung von Prag in Richtung Sowjetunion und starb 1942 in einem bayerischen Internierungslager. Beide Persönlichkeiten haben für die Etablierung der zeitgenössischen Musik enorm viel geleistet und verdienen weitere Aufarbeitung. Eine andere, ebenso wichtige Thematik steht kurz vor der Drucklegung: Der zweite Teil der „Konzerttätigkeit der Königlichen musikalischen Kapelle zu Dresden: 1859 – 1918“ des früheren Dramaturgen der Sächsischen Staatskapelle, Eberhard Steindorf. Das ist wiederum eine beeindruckende Quellenarbeit, die Bestand haben wird. Sie dürfen auch auf diese Geschichten gespannt sein!

Sie haben viel zu Musikerpersönlichkeiten geforscht. Welcher Musiker hat Sie am meisten beeindruckt und warum?

Wenn man über einen Menschen arbeitet, die man persönlich erlebt hat, ist es nicht immer leicht, Objektivität zu wahren. Auch noch nach 50 Jahren beeindruckt mich mein ehemaliger Lehrer im Kreuzchor, Rudolf Mauersberger, der 1971 verstarb. Er hat sich seiner Aufgabe mit totaler Hingabe gewidmet, hatte Visionen und war eine besonders direkte Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Solch unverwechselbare Persönlichkeiten gibt es heute nur noch selten.

Wenn Sie an Ihre Dienstjahre zurückdenken: Welche Highlights bleiben Ihnen in Erinnerung?

Meine erste Dienstreise zu einer wissenschaftlichen Tagung ins westliche Ausland – und zwar nach Österreich – am Jahresbeginn 1988. Obwohl ich kein sogenannter DDR-„Reisekader“ war, hat die damalige Hochschulleitung dem verantwortlichen Ministerium für Kultur in Berlin die Zustimmung erteilt und so das dortige Genehmigungsverfahren ermöglicht.

Aus den zahlreichen Konferenzen, die ich seit Ende der 1980er Jahre geleitet habe, ragt die dreiteilige Serie „Dresden und die avancierte Musik im 20. Jahrhundert“ als Kooperation mit dem Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik (1998 – 2002) heraus. Die zahlreichen Vorträge in Verbindung mit dokumentarischem Material haben wir in unserer damaligen Buchreihe „Musik in Dresden“ auf rund 1.200 Seiten veröffentlicht.

Zudem möchte ich eine wiederholt praktizierte Veranstaltungsform „Ein Tag für …“ erwähnen, die mir viel Spaß gemacht hat: zuletzt im Gedenken an Peter Schreier, davor für Günter Raphael, Max Reger, Lothar Voigtländer, Udo Zimmermann etc. Das waren Veranstaltungen mit Vorträgen, Roundtables und Konzerten, die auf viel Interesse gestoßen sind. Der Schreier-Tag war ein regelrechter Besuchermagnet.

Gibt es eine witzige/rührende Anekdote aus Ihren Berufsjahren, die Sie mit uns teilen wollen?

Ja, ich fand mal vor einer Semesterpause ein Päckchen mit Keksen und einem Briefchen vor. Der Absender war eine amerikanische Studentin, die vorübergehend meine Vorlesungen besuchte hatte und zum Abschied schrieb: Sie habe bemerkt, wie sehr ich meinen Beruf lieben würde. Deshalb habe sie für mich etwas aus ihrer Heimat gebacken.

Was wünschen Sie der HfM Dresden für die Zukunft?

Dass sie sich ihrer 165-jährigen Geschichte vom Königlichen Konservatorium über das Konservatorium der Landeshauptstadt Dresden (vereinigt mit der Orchesterschule der Sächsischen Staatskapelle) und der Akademie für Musik und Theater noch stärker bewusst wird – auch aus dem Grunde, weil die Anzahl der Anfragen nach Studierenden und Lehrenden aus aller Welt deutlich zugenommen hat und wir oft nicht auskunftsfähig sind. Da zahlreiche Archivalien 1945 verbrannt sind, kommt man in Zukunft nicht umhin, eine systematische Personenerfassung seit 1856 zu betreiben.

Welche Rolle spielt die Musikwissenschaft für zukünftige Generationen?

Sie wird nicht an Bedeutung verlieren, da Musik und das Reflektieren über sie Teil der menschlichen Gesellschaft ist. Schwerpunktverlagerungen, gerade im medialen Bereich, werden nicht ausbleiben, was (historisch betrachtet) völlig normal ist. Wichtig scheint mir aber, dass wir als Fachvertreter eine verständliche Sprache wählen, um eine stärkere Wirkung auch beim breiteren Publikum zu erzielen.

 


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