Der Meisterklassenstudent Ole Hübner studiert seit März 2020 in der Klasse von Prof. Stefan Prins, Prof. Mark Andre und Prof. Manos Tsangaris an der Hochschule für Musik Dresden Komposition. Während des Wintersemesters 2021/22 war er von August bis Dezember 2021 an der Norwegian Academy of Music in Oslo im Rahmen des ERASMUS-Austauschprogramms. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und warum er einen Auslandsaufenthalt während des Studiums unbedingt empfehlen kann.
Warum haben Sie sich für einen Auslandsaufenthalt während Ihres Studium entschieden?
Ich habe während meines Bachelor- und Masterstudiums noch kein Auslandssemester absolviert, aber immer gerne Gelegenheiten wahrgenommen, für einen längeren Zeitraum ein neues Land und neues Umfeld kennenzulernen.Das Auslandssemester war eine gute Gelegenheit, dies vor meinem Abschluss noch mal zu tun. Und außerdem ist mir während der Pandemie immer mal wieder die Decke auf den Kopf gefallen.
Warum ist die Wahl auf Norwegen, Oslo bzw. die Norwegian Academy of Music gefallen?
Ausschlaggebend war der Lehrer, bei dem ich dort studieren konnte, Trond Reinholdtsen, ein ganz einzigartiger Künstler und Mensch, der sich, wie ich, im Graubereich zwischen Neuer Musik und Performance/Theater bewegt und dessen Arbeiten mich schon seit vielen Jahren sehr inspirieren. Zudem hat Norwegen eine (im Vergleich zu Deutschland zwar kleine, aber) sehr aktive und spannende Neue-Musik-Szene mit vielen spannenden Künstler:innen, Ensembles und Festivals.Außerdem hatte ich in den letzten Jahren wiederholt interessante Dinge aus Richtung der Norges musikkhøgskole (NMH) gehört. Das wollte ich gerne kennenlernen.
Was sind die wesentlichen Unterschiede eines Kompositionsstudiums in Norwegen im Vergleich zu Deutschland?
Ich würde sagen, dass es erst mal viele Gemeinsamkeiten gibt – wer die Kompositionsausbildung in Deutschland kennt, wird sich auch in Norwegen gut zurechtfinden. Neu war für mich, dass in ganzen Studienjahren anstelle von Semestern gedacht wird und Studienprojekte sich dadurch über einen längeren Zeitraum erstrecken. Das gibt eine gewisse Ruhe. Methoden der künstlerischen Forschung / Artistic Research spielen an der NMH eine größere Rolle als an deutschen Musikhochschulen. Darauf baut in Oslo auch ein spannendes künstlerisches Promotionsprogramm auf, das es in Deutschland so leider nicht gibt. Ich habe in Oslo ein hohes Maß an studentischer Eigeninitiative erlebt – viele Kompositionsstudierenden führen ihre Arbeiten oder diejenigen ihrer Kommiliton:innen als interdisziplinäre Performer:innen selbst auf, machen sich teilweise schon früh viel freier von klassischen Ressourcen. Die Teamarbeit, Unterstützungsbereitschaft und der Zusammenhalt innerhalb der Kompositionsklasse, der auf diese Weise entsteht, haben mich sehr beeindruckt.
Was hat Ihnen insgesamt besonders gut gefallen?
Ich habe mich während des gesamten Aufenthalts unglaublich willkommen gefühlt, das war total schön. Die Kommiliton:innen haben mich ganz selbstverständlich in alle möglichen Aktivitäten eingebunden, wir hatten innerhalb und außerhalb der Hochschule einen intensiven Austausch und ich habe ein paar gute Freund:innen gewonnen. Auch die Hochschule kümmert sich wirklich gut um die International Students.
Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
Ich habe ein bisschen unterschätzt, dass es gut gewesen wäre, von Anfang an etwas fitter in Norwegisch zu sein. Die allermeisten Leute in Norwegen sprechen zwar fließend Englisch und auch der Unterricht findet überwiegend auf Englisch statt, aber außerhalb der Hochschule hätten sich soziale Anknüpfungspunkte oft leichter ergeben, wenn ich ohne Weiteres in der Landessprache hätte einsteigen können. Ich hatte ein paar Grundkenntnisse, aber beim nächsten Mal würde ich mich bemühen, schon vor der Abreise eine gewisse Sprachroutine aufzubauen. Und es empfiehlt sich definitiv (nicht zuletzt wegen der Strukturierung des Studienjahrs), nicht nur für ein Semester, sondern für ein ganzes Jahr zu bleiben.
Was haben Sie während Ihres Aufenthalts als Musiker und als Mensch gelernt?
Ganz allgemein kann ich sagen, dass ein Perspektivwechsel auf ganz vielen Ebenen stattfindet – kulturell, künstlerisch, methodisch, zwischenmenschlich, sprachlich, nicht zuletzt geographisch. Ich habe jeden Tag etwas Neues über das Land gelernt und war bemüht in der kurzen Zeit des Aufenthalts möglichst viel von den Lehrenden und Mitstudierenden zu lernen. Die Zeit vor Ort ist wie im Flug vergangen und quasi „nebenbei“ hat sich ganz viel für mich verändert – künstlerische Zugänge und Interessen, Sichtweisen auf sich selbst und das eigene Tun, auf andere Menschen und Zusammenhänge …
Können Sie die Hochschule und ein Auslandsaufenthalt während des Studiums insgesamt empfehlen?
Ja, unbedingt!
Würden Sie mit uns ein eindrückliches Erlebnis während Ihres Aufenthalts in Oslo teilen?
Ich habe bei einer großen Musiktheaterproduktion von Trond Reinholdtsen mitgearbeitet – die Arbeitsweise seiner Gruppe „The Norwegian Opra“ ist relativ anarchisch; wir haben innerhalb von vier wahnsinnig intensiven Tagen eine gigantische Rauminstallation zusammengebaut und dann dieses dreieinhalbstündige Stück über die Bühne gebracht, wie im Sog. Am allerletzten Abend in Oslo bin ich kurzfristig beim Abschlusskonzert einer Freundin eingesprungen – zwar „nur“ in einem ganz kurzen und einfachen Stück, aber das war dennoch ein kleiner Höhepunkt des Aufenthalts.